Geboren im Großen Regen. Mein Leben zwischen Afrika und Deutschland - Mit einem Vorwort von Karlheinz Böhm by Fadumo Korn

Geboren im Großen Regen. Mein Leben zwischen Afrika und Deutschland - Mit einem Vorwort von Karlheinz Böhm by Fadumo Korn

Autor:Fadumo Korn [Korn, Fadumo]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: eBooks, Roman, Afrika, Schicksal, Nomaden, Beschneidung
ISBN: 978-3-95824-108-4
Herausgeber: dotbooks
veröffentlicht: 2015-04-29T16:00:00+00:00


Der Chauffeur fuhr mich in die Klinik. Am oberen Ende der Auffahrt stoppte er, stieg aus und stellte meinen Koffer in den Kies. Ich bat ihn, mir zu helfen und den Koffer ins Foyer zu tragen. Er zögerte. Wortlos und wütend streckte ich ihm meine krummen Finger entgegen.

Am Empfang begrüßte mich eine Schwester. Als sie merkte, dass ich kein Deutsch verstand, sprach sie englisch. Mein Onkel habe bereits alle Aufnahmeformalitäten geregelt, man erwarte mich. »Komm«, sagte sie, nahm den Koffer und reichte mir die Hand. »Ich zeige dir dein Zimmer.«

Artig wie ein kleines Mädchen folgte ich. »Ich bin Schwester Ute«, sagte die Frau. Schwester Ute hatte sehr langes, weiches Haar. Sie war schlank, und jedes Mal, wenn sie lachte, bildeten sich Grübchen um ihren Mund. Am meisten jedoch faszinierten mich ihre Hosen. Sie waren noch enger als meine und Saidas gebleichte Jeans. Jetzt drückte sie auf einen Knopf an der Wand. Eine Tür sprang auf, und wir bogen in einen breiten Flur, an dessen Seiten sich grüne Türen aneinander reihten. Vor einer Tür saß ein Mann auf einem viel zu kleinen Stuhl. Als wir vorbeiliefen, sah er erwartungsvoll hoch. Schwester Ute schüttelte den Kopf, sagte: »Tut mir Leid, wir haben noch keine Neuigkeiten.« Der Mann sank zurück. Wir betraten einen zweiten Flur, hier waren alle Türen blau gestrichen.

»Hier ist es«, sagte Schwester Ute und klopfte an eine der blauen Türen. Ich trat in ein geräumiges Zimmer, an dessen Längsseite zwei Betten standen. Eines war leer, in dem anderen lag ein Junge. Er schien zu schlafen. Ein dünner Speichelfaden rann aus seinem Mund. Schummeriges Licht fiel durch die Fenster, und ich hätte gern die Gardinen aufgezogen, um hinauszusehen. »Wollen wir deine Sachen in deinen Schrank räumen?«, fragte Schwester Ute. »Möchtest du, dass ich dir helfe?«

In den folgenden Tagen wurde ich vom leitenden Professor und von einigen Ärzten untersucht. Man maß und wog mich. Wieder waren alle entsetzt über mein Untergewicht. Man nahm mir Blut ab, führte EKGs und EEGs durch und röntgte mich. Am Ende bestätigte der Professor die Diagnose des togolesischen Arztes: Ich litt unter Rheuma. Meine Hand- und Fußgelenke sowie Knie und Hüften waren schon von der degenerativen Erkrankung betroffen, vor allem an Händen und Füßen war die Knorpelschädigung der Gelenke bereits fortgeschritten. »Das ist weder zu ändern noch zu stoppen«, sagte der Professor in einer Deutlichkeit, die ich bislang nicht erlebt hatte und die mich zutiefst erschreckte. »Alles, was wir tun können, ist, das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen.«

Der Professor verordnete krankengymnastische Übungen, Wärme- und Kältebehandlungen sowie Massagen. Und er schickte mich zum Schwimmunterricht im klinikeigenen Pool. Weil ich nicht schwimmen konnte und lieber gestorben wäre, als das zuzugeben, sank ich wie ein Stein, kaum dass der Bademeister mich losließ. Fortan paddelte ich mit einem Gummireifen um den Bauch durchs Becken. Jeden zweiten Nachmittag spielte ein Sporttherapeut mit mir Tischtennis. Die Schwestern fütterten mich mit Vitaminen. Außerdem bekam ich Medikamente; bereits zum Frühstück schluckte ich drei Tabletten, über den Tag folgten weitere, und als ich am Abend nachrechnete, kam ich auf neun verschiedene Pillen.



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